Auf der Suche nach dem "new normal" in der Arbeitsorganisation
Autor: Prof. Dr. Frank Schäfer / Auszug Forschungsbericht 2022, OTH AM-WEN
Diese Untersuchung ist Teil der Erkenntnisse, die vom Verfasser während eines Praxissemesterprojektes bei der VALEO IT Personalservice Gruppe, einem international tätigen IT-Dienstleistungsunternehmen mit Hauptsitz in der nördlichen Oberpfalz erarbeitet wurden. Aus Datenschutzgründen werden die Ergebnisse in zusammenfassender Form präsentiert.
Die Unternehmensgruppe ist als mittelständisches IT-Dienstleistungsunternehmen im B2B-Sektor mit über 230 Mitarbeitern positioniert. Es verfügt neben dem Headquarter in Bayern über weitere Standorte bzw. Tochterunternehmen in Deutschland, Rumänien, Philippinen und Mexiko. Die Mehrzahl der Mitarbeiter arbeitet außerhalb Deutschlands. Die Unternehmensgruppe ist stark wachsend, auch in der Pandemiezeit. Das nachhaltige Wachstum des Unternehmens auch während der Pandemie führt im Jahr 2021 zur Prämierung durch das bayrische Wirtschaftsministerium unter den „Bayerns Best 50“.
Organisatorisch befinden sich das Upper Management bzw. die Konzernführung sowie einige Zentralfunktionen an der Firmenzentrale in Luhe-Wildenau, die wertschöpfungsorientiert aufgestellten Standorte bzw. Tochterunternehmen verfügen jeweils über eine lokale operative Führungsstruktur. Ein lebendiges Zusammenspiel zwischen Konzernführung und lokalem Management mit vielen persönlichen Treffen war historisch die Regel. Häufiger persönlicher Austausch auf allen Ebenen, Job Rotation zwischen den Standorten und vielfältige internationale Interaktion und entsprechende organisierte Arbeitsteams sind die Regel.
Die Unternehmenskultur wurde über die Jahre stark ausdifferenziert und betont Mitarbeiterentwicklung, -zufriedenheit und regelmäßige persönliche Kommunikation stark. Dies drückt sich in der Praxis in vielfältigen Formaten z.B. in der Führungskommunikation oder bei Teambuilding-Programmen auf allen Ebenen des Unternehmens aus.
Mit der ersten Pandemiewelle ab März 2020 entstand annähernd gleichzeitig in allen Standorten und Ländern eine jeweils individuelle Lockdown-Situation, welcher das Unternehmen mit einer kurzfristigen Umstellung auf Homeoffice-Strukturen begegnete. Dies war bei der großen Mehrzahl der Arbeitsplätze möglich. In einigen Ländern bestehen auch heute noch Lockdown-Regeln mit einem letztlich „erzwungenen“ Homeoffice-System.
Die beschriebene Führungs- und Unternehmenskultur musste seit diesem Zeitpunkt ebenfalls auf ein „remote“ bzw. weitgehend „virtuelles“ Programm umgestellt werden. Es gibt Standorte, welche von der Konzernleitung seit März 2020 nicht mehr persönlich besucht werden konnten. Ebenso mussten Recruiting-, Onboarding- und Trainingsprozesse seit dieser Zeit ebenfalls in einem „remote“-Modus durchgeführt werden. Mittlerweile hat sich die Pandemie Lage an der Mehrzahl der Standorte zumindest etwas entspannt. So können zumindest eingeschränkt wieder persönliche Treffen organisiert werden. An einzelnen Standorten bestehen dennoch immer noch harte Lockdown Regeln und Reiserestriktionen, besonders im asiatischen Raum.
Nach nunmehr 1,5 Jahren in dieser „neuen“ durch die Rahmenbedingen der Pandemie bestimmten Arbeitsorganisation interessiert sich die Unternehmensführung für das Erleben der Mitarbeiter in dieser Situation. Um eine sachlich fundierte Ausgangslage in den verschiedenen Standorten und Arbeitsgruppen zu erheben, wurde durch den Verfasser eine strukturierte Mitarbeiterbefragung durchgeführt. Aufgrund der Internationalität der Mitarbeiter wurde dies als Online-basierte Befragung über das Befragungstool Lamapoll organisiert. (Vgl. www.lamapoll.de)
Um diese Forschungsfragen zu hinterfragen wurde ein Fragebogen mit 48 Fragen entwickelt. Die Fragen gliedern sich in die 3 Komplexe:
- Führung, Information und Mitarbeiterentwicklung
- Erfahrungen in Pandemiezeit
- Betriebsklima und Kollegen
Die Fragen waren teils mit ordinal-skalierten Antwortmöglichkeiten, teils mit offenen Fragen operationalisiert. Der Fragebogen wurde zweisprachig angeboten. Es wurde ein Pretest durchgeführt, um die allgemeine Verständlichkeit der Fragen zu überprüfen. Die online-Veröffentlichung des Fragebogens wurde durch eine Video-Botschaft und einen Recall des geschäftsführenden Gesellschafters begleitet, um die Wichtigkeit der Bearbeitung zu betonen.
Der Fragebogen wurde allen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt. Der Bearbeitungszeitraum betrug 1 Woche. Es haben 162 Mitarbeiter an der Befragung teilgenommen und die Fragen beantwortet. Dies entspricht einer Rücklaufquote von ca. 72 %, also ein sehr guter Wert für eine schriftliche Befragung. Die hohe Rücklaufquote spricht auch für das hohe Envolvement der Mitarbeiter gegenüber dem Befragungsgegenstand. Die Auswertung wurde als univariate Analyse über die Standardauswertungstools der Software erstellt. Es wurden ferner Split-Auswertungen nach den Ländern, den Arbeitsgebieten der Mitarbeiter und der Betriebszugehörigkeit durchgeführt, um Unterschiede im Antwortverhalten von Teilgruppen zu erkennen.
Welches sind die wesentlichen Erkenntnisse?
Die Wahrnehmung der Pandemiekrise, das Erleben der veränderten Arbeitsorganisation und die mit der Krise verbundenen Ängste sind international und interkulturell erstaunlich homogen.
Für das „new normal“ einer zukünftigen Arbeitsorganisation spielt die große und ebenfalls international stabile Hinstimmung zu Homeoffice zumindest als Hybridlösung eine große Rolle. Da gleichzeitig aber auch Bedürfnisse nach wieder intensiverer sozialer Interaktion formuliert werden, erscheinen hier auch flexible Lösungen prüfenswert. In diesem Zusammenhang könnte auch eine weitergehende statistische Analyse der Datenbasis überlegt werden, um zu erkennen, ob die hinsichtlich einer möglichen Ansteckung mit Covid besonders ängstlichen Mitarbeiter besonders stark auf Homeoffice Lösungen orientiert sind.